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Ja, ich habe für die Mantren so viel Liebe in mir, dass ich mir
erst mal nicht vorstellen kann, ein anderes Album zu machen.
Bist Du Buddhistin?
Ich bin buddhistisch orientiert. Erzogen worden bin ich übrigens
total katholisch, weil meine Mutter polnische Wurzeln hat. Ich
kann auch ganz viel aus dem Koran ziehen, auch das sind
meine Wurzeln, denn mein Vater stammt aus Afghanistan. Er ist
zwar überhaupt nicht gläubig, aber ich habe meine Großeltern
oft beobachtet, wie sie drei-, viermal am Tag beteten. Das hat
mich beeindruckt. Mir geht es nicht um die Religion, sondern
habe, an die ich mich immer wenden kann und die mir Kraft gibt.
Du bist oft in Indien, weil ein Teil deiner Familie väterlicher-
seits dort lebt. Was fühlst du, wenn du in Indien bist?
Indien, vor allem der Norden, wo meine Familie lebt, ist für mich
eine Brücke zu meinen Wurzeln. Denn das ist ja recht nahe
an Afghanistan. Ich war ja noch nie in Afghanistan. Daher hat
Indien für mich einfach etwas sehr Familiäres.
Welche Rolle spielt Yoga in deinem Leben?
Hatha-Yoga mit meinem Mann praktiziert, jeden Tag bestimmt
zwei Stunden. Da war ich ungefähr 21. Ich hatte damals eine
Phase, in der viel bei mir zusammengebrochen ist und ich
gleichzeitig ganz viel gearbeitet habe und getourt bin. Ohne
Yoga hätte ich das nicht geschafft! Ich hab damals diese Stütze
gebraucht, weil gar nichts mehr ging und ich teilweise auf der
Matte saß und weinte. Aber selbst wenn ich um 5:30 Uhr aus
dem Haus musste, ist mein Mann aufgestanden und hat mit mir
Yoga gemacht. Ein Jahr hat es gedauert, bis ich wirklich eine
Stabilität gespürt habe. Dann nach zwei, drei Jahren täglicher
Praxis habe ich angefangen, Yoga phasenweise zu nutzen.
Über Graziella Schazad
Graziella Schazad spielt seit ihrem dritten Lebensjahr
Gitarre. Mit vier kam die Geige dazu, mit neun das Kla-
vier. Heute beherrscht sie u.a. auch die Ukulele und die
Djembe. Das Markenzeichen der Singer-Songwriterin, die
mit akustischer Popmusik bekannt wurde, ist es, die Geige
zupfend vor dem Bauch zu spielen. Ihr Album „Chapter 1:
Path of Buddhist Mantras“ (Kamè Entertainment) erschien
2021. In Hamburg ist Graziella zurzeit mit „Yin Yoga und
Live Musik“-Sessions (via Zoom) zu erleben. Weitere
Infos und alle Events gibt es hier: graziellaschazad.com
Heute ist Yoga einfach ein schönes Werkzeug für mich, das ich
in einem Mix aus Hatha und Kundalini Yoga gezielt einsetze.
Du hast zwei Kinder. Was vermittelst du ihnen an Musik
und Spiritualität?
Meine Tochter ist zehn und spielt Klavier, seit sie vier oder fünf
ist. Sie erinnert mich an mich, ohne dass sie es weiß. Ich bin
aus der Schule gekommen und habe stundenlang am Klavier
komponiert. Sie kommt auch nach Hause und setzt sich gleich
ans Klavier. Sie will sich allerdings nicht so wirklich von mir helfen
lassen. Aber wir haben einen ganz guten Weg gefunden. Sie
sagt: Mama, kannst du mir diesen Song zeigen, zum Beispiel
aus dem Film Amélie. Dann zeige ich ihr den genau zweimal
und dann sagt sie: Mama, alles klar, du kannst gehen. Und dann
übt sie tagelang. Sie will das alleine machen, weil sie weiß, wie
viel Raum die Musik bei mir einnimmt. Ich glaube, wenn ich da
weiter eintreten würde, würde ich ihr den Raum nehmen. Sie
spielt auch Geige, aber eher fürs Schulorchester. Mein Sohn
ist viereinhalb und fängt jetzt gerade an, auszuprobieren. Was
wir ganz ausgeprägt machen jeden Abend, ist eine Art von
Klangarbeit mit Klangschalen, so nenne ich es jetzt mal.
Was macht ihr da genau?
Wir nehmen abends die Klangschalen ins Bett und die Kinder
probieren erst mal für sich oder sie machen kleine Wettbe-
werbe, welche Klangschale länger klingt. Also ganz in so einer
Geschwister dynamik, da wird es auch manchmal laut. Wenn
dann wirklich Schlafenszeit ist, nehme ich eine ganz bestimmte
Klangschale und bringe die Kinder damit in den Schlaf. Der
Klang ist wie eine Brücke, um bei sich anzukommen. Manchmal
braucht es nur zwei Anschläge und mein Sohn ist eingeschlafen.
Ich mach ja auch Klangarbeit mit acht bis 15 Monate alten
Babys, das weiß nur eigentlich keiner. Ich möchte dabei Kinder
in Kontakt mit sich bringen, weil ich sehe, wie das bei meinen
Kindern funktioniert. Einfach einen Ton hören und ihm den Raum
lassen, bis er verklungen ist …
Gibt es einen Wunsch, den du dir noch erfüllen möch-
test? Oder gibt es etwas, das du dir für die Menschheit,
unsere Gesellschaft oder unseren Planeten wünschst?
Ich bleib hier mal im Mikrokosmos: Mein wirklich größter Wunsch
wäre, dass mein Mann und ich in Gesundheit altern dürfen,
und vor allem, dass wir es als Familie schaffen, ein Leben lang
liebevoll und wertschätzend miteinander zu sein.
FOTO: ANNE DE WOLFF; GRAZIELLA SCHAZAD
Das Interview führte Bettina Kaever